den zulieb" (7534) seine Tätigkeiten verrichtet. (Der Hausumbau dauer­te vom Frühjahr bis zum Sommer des Jahres 1755 (Beutler 1981,305). Zu dieser Zeit war Goethes Mutter bereits wieder schwanger, am 11. April 1756 hatte sie eine Totgeburt.)

Dies alles findet sich möglicherweise in der Szene Klassische Walpur­gisnacht in den Versen 7503-77. Die im folgenden teilweise abgedruck­ten Verse sind zugleich als Rätsel von Goethe in der Szene dargestellt, in der die Tätigkeit des Seismos geschildert wird, und zu dem Zeitpunkt, in dem es eigentlich deutlich werden könnte, was dort geschildert wird, ver­hindern die Sphinxe die weitere Schilderung und weisen auf das Rätsel hin („weiter aber solls nicht kommen, Sphinxe haben Platz genommen" (7549)) bzw. kommentieren rätselhaft weiter:

Seismos (in der Tiefe brummend und polternd):
Einmal noch mit Kraft geschoben, (7519)
Mit den Schultern brav gehoben!
So gelangen wir nach oben.
Wo uns alles weichen muß.

Sphinxe:
Welch ein widerwärtig Zittern
Häßlich grausenhaftes Wittern!
Welch ein Schwanken, welches Beben,
Schaukelnd Hin- und Widerstreben!
Welch unleidlicher Verdruß!
Doch wir ändern nicht die Stelle,
Bräche los die ganze Hölle.

Nun erhebt sich ein Gewölbe (7530)
Wundersam. Es ist derselbe,
Jener Alte, längst Ergraute,
Der...
Einer Kreißenden zu Lieb'

Er, mit Streben, Drängen, Drücken,
Arme straff, gekrümmt den Rücken,
Wie ein Atlas an Gebärde,
Hebt er Boden, Rasen, Erde,
Kies und Grieß und Sand und Letten, (7540)
Unsres Ufers stille Betten.
So zerreißt er eine Strecke
... ruhige Decke.
Angestrengtest, nimmer müde,
Kolossale Karyatide;

Trägt ein furchtbar Steingerüste,
Noch im Boden bis zur Büste;
Weiter aber soll's nicht kommen, (7548)
Sphinxe haben Platz genommen.
Seismos:
Das hab' ich ganz allein vermittelt, (7550)
Man wird mir's endlich zugestehn;
Und hätt' ich nicht geschüttelt und gerüttelt,

Jetzt so, mit ungeheurem Streben,
Drang aus dem Abgrund ich herauf
Und fordre laut, zu neuem Leben,
Mir fröhliche Bewohner auf.
Sphinxe (7574):
Uralt müßte man gestehen
Sei das hier Emporgebürgte,
Hätten wir nicht selbst gesehen
Wie sich's aus dem Boden würgte. (7577)

„Wer zu den Müttern sich gewagt, hat weiter nichts zu überstehn"2

Wie vieles bei Goethe, so ist auch dieser Vers doppeldeutig: zum einen ist dieser Vers psychoanalytisch von tiefsinniger Bedeutung, zum anderen mußte Goethe in der Tat Schrecken und Ängste ertragen, wollte er nachts zu seiner Mutter ins elterliche Schlafzimmer, wie Goethe in Dichtung und Wahrheit schildert:

Die alte, winkelhafte, an vielen Stellen düstere Beschaffenheit des Hauses war übrigens ge­eignet Schauer und Furcht in kindlichen Gemütern zu erwecken. Unglücklicherweise hatte man noch die Erziehungsmaximc, den Kindern frühzeitig alle Furcht vor dem ahnungs­vollen und unsichtbaren zu benehmen und sie an das Schauderhafte zu gewöhnen. Wir Kin­der sollten daher alleine schlafen und wenn uns dieses unmöglich fiel, und wir uns sacht aus den Betten hervormachten und die Gesellschaft der Bedienten und Mägde suchten, so stell­te sich in umgcwandten Schlafrock und also für uns verkleidet genug der Vater in den Weg und schreckte uns in unsere Ruhestätte zurück. Die daraus entspringende üble Wirkung denkt sich jedermann. Wie soll derjenige die Furcht loswerden, den man zwischen ein dop­peltes furchtbares einklemmt? (Goethe 3, 13 f)

Daß Angst und Schrecken, die der Vater verbreitete, nicht zur Lösung des Ödipuskomplexes bei Goethe beitrugen, läßt sich denken. (Es ist

2 Homunculus (7060 f).


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